Deutschlands renommiertester Sportmediziner, der Kölner Universitäts-Professor Dr. med. Dr. h. c. mult. Wildor Hollmann, ist tot. Er starb im Alter von 96 Jahren am Donnerstag (13. Mai) an den Folgen einer Corona-Infektion. Der weltbekannte Internist, Kardiologe und Forscher war Begründer und langjähriger Leiter des Instituts für Kreislaufforschung und Sportmedizin an der Deutschen Sporthochschule (DSHS) Köln und gilt als Nestor der deutschen Sportmedizin, der seit den 1950er Jahren dieses damals neue Fachgebiet wegweisend auch international mitgeprägt hat. Deutschland wird als das „Mutterland der Sportmedizin“ bezeichnet. Wildor Hollmann hat dafür den Boden bereitet.
Wildor Hollmann wurde als Sohn eines Prokuristen in Menden (Märkischer Kreis im Sauerland) geboren. Nach dem Abitur und der Ableistung seines Wehrdiensts in den letzten Kriegsjahren mit anschließender Gefangenschaft studierte Hollmann Medizin an der Universität zu Köln und begann bereits 1949 mit ersten experimentellen Untersuchungen über den Einfluss von körperlicher Arbeit und Training bzw. über die Auswirkungen von Bewegungsmangel auf den gesunden und den kranken Menschen.
Zu dieser Zeit war er noch als Arzt an der Medizinischen Universitätsklinik in Köln unter der Leitung seines medizinischen Mentors Prof. Dr. Hugo Wilhelm Knipping (1895-1984) tätig, bevor er 1956 einen Keller an der DSHS Köln mietete, um hier als privates „Ein-Mann-Institut“ seine Forschungen mit (vor allem studierenden) Sportlerinnen und Sportlern zu intensivieren. Der damalige Präsident des Deutschen Sportbundes, Willi Daume (1913-1996), war auf den jungen Forscher Hollmann aufmerksam geworden und sorgte für finanzielle Unterstützung durch ein Kuratorium für Sportmedizin. Zehn Jahre später übernahm das Land Nordrhein-Westfalen das Institut als staatliche Einrichtung.
Wildor Hollmann promovierte 1954 zum Dr. med. und habilitierte sich 1961 für das Fachgebiet Sportmedizin. Im Jahre 1965 erfolgte die Berufung auf den neu eingerichteten Lehrstuhl für Kardiologie und Sportmedizin an der DSHS Köln. Aus dieser Einrichtung sollten unter der Leitung von Wildor Hollmann 24 Habilitationen und später daraus 14 Professorinnen und Professoren hervorgehen. Wildor Hollmann reüssierte auch als gefragter Wissenschafts-Manager: 1965 wurde er erstmals zum Prorektor der DSHS Köln gewählt, von 1969 bis 1971 stand er als Rektor der DSHS an der Spitze als Nachfolger von Prof. Dr. h.c. Lieselott Diem (1906-1992). Seiner Kölner Sporthochschule hat er mit seinem Wirken ganz wesentlich mit zur heutigen Weltgeltung verholfen. Mit weit über 90 Jahren war der Emeritus Hollmann, der in Brüggen (Kreis Viersen am Niederrhein) lebte, in der Lehre an der DSHS mit Vorlesungen zu sportmedizinischen Themen aktiv und bei Studierenden nach wie vor sehr beliebt. Vermutlich war er damit sogar Deutsch-lands ältester aktiver Hochschul-Dozent.
Anlässlich seines 95. Geburtstags am 30. Januar 2020 wurde an der DSHS Köln eine Daueraus-stellung mit zahlreichen Erinnerungsstücken aus dem Leben und dem sportmedizinischen Wirken von Wildor Hollmann zu seinen Ehren eröffnet: „Als Wildor Hollmann 1958 das Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin der Deutschen Sporthochschule Köln in Verbindung mit der Medizinischen Universitätsklinik Köln gründete, konnte er sicher nicht ahnen, dass 62 Jahre später auf der Basis seiner wissenschaftlichen Erfolge mit weltweiter Anerkennung einmal eine Dauerausstellung gegründet würde“, würdigte der heutige Rektor der DSHS, Prof. Dr. Heiko Strüder, den Jubilar anlässlich einer Feierstunde zur Eröffnung der Ausstellung über und mit Wildor Hollmann. Die DSHS Köln hatte ihm bereits 1995 den Titel „Ehrenbürger der Deutschen Sporthochschule Köln“ verliehen.
Wildor Hollmann war u.a. Präsident des Deutschen Sportärztebundes sowie des Weltverbandes für Sportmedizin, Vorsitzender des Fachbereichs Sportmedizin im Bundesinstitut für Sport-wissenschaft (damals noch auf dem Campus der DSHS) und Chefredakteur der Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin. Von 1994 bis 1997 amtierte er als Präsident der Deutschen Olympischen Gesellschaft. Viele Jahre arbeitete Wildor Hollmann als betreuender Sportarzt für die Nationalmannschaften im Fußball (1958-1978), im Golf (1959-1963) sowie im Hockey (1964-1971).
Auch die Liste der Ehrungen, mit denen die sportmedizinischen Verdienste von Wildor Hollmann weltweit bedacht wurden, ist lang und vielschichtig: Im Jahre 1961 erhielt er die Carl-Diem-Plakette für Sportmedizin und Sportwissenschaft (heute Wissenschaftspreis des Deutschen Olympischen Sportbundes) des DSB, drei Jahre später den Hufeland-Preis für Präventivmedizin, 1976 den Philip-Noel-Baker-Forschungspreis der UNESCO, im Jahre 2002 wurde er mit der Paracelsus-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Deutschen Ärzteschaft geehrt. Die Bundesrepublik Deutschland verlieh ihm das Schulterband zum Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern.
Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) Prof. Dr. Bernd Wolfarth (Berlin) würdigt das Wirken des Verstorbenen: „Die bereits 1958 von Prof. Hollmann verfasste Definition von Sportmedizin ist noch heute gültig und wird seitdem in seiner englischen Fassung vom Weltverband der Sportmediziner*innen (FIMS) geführt. Seine sportmedizinische Pionierarbeit hat Generationen von Wissenschaftler*innen und Mediziner*innen geprägt und seine Forschungserkenntnisse gelten noch heute als Meilensteine in vielen Bereichen der Sportmedizin.“ Hollmann hatte Ehrenpräsident sowohl der DGSP als auch der FIMS inne.
Wildor Hollmann war ein mitreißender Hochschullehrer. Er verstand sich als Meister des druckreifen Sprechens. Dabei wollte er nicht so sehr als dozierender Lehrer, sondern als begeisternder Erzähler das Interesse bei den Studierenden wecken. Bei einer kollegialen Feierstunde an der DSHS zu seinem 95. Lebensjahr verriet er den jüngeren Gästen dann auch etwas von seiner Lebensmaxime: „Ich habe gelernt, immer das Positive zu sehen und das Negative auszublenden. Es bringt nichts, sich mit dem zu quälen, was nicht wunschgemäß verläuft.“ Und dabei blickte er auch nach vorn: „Der Tod macht mir keine Angst. Mein Lebenswerk ist beendet. Wenn ich jetzt gleich tot umfalle, wäre das ja völlig normal. Man sollte sich selber nie überbewerten. Bei allem, was über mich gesagt wird, bin ich am Ende doch immer noch der kleine Wildor.“
Wildor Hollmann, der selbst bis zu seinem Tod sportlich aktiv und zuletzt dem Tanzen verbunden war, hat auch die Trimm-Dich-Aktionen des damaligen DSB in den frühen 1970er Jahren als ihr medizinischer Vater initiiert und begleitet. Aus dieser Zeit stammt auf der Basis der Erkenntnisse seiner damaligen Forschungen der bis heute vielzitierte Satz: „Durch ein geeignetes körperliches Training gelingt es, 20 Jahre lang 40 Jahre alt zu bleiben“. Wildor Hollmann lebt nicht mehr. Aber wir können mit seiner Erkenntnis von einst weiterleben … und uns bei jedem körperlichen Training an ihn erinnern.
Prof. Dr. Detlef Kuhlmann
Quelle: Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) Nr. 15-16, 18. Mai 2021